Lehrende: Jun.-Prof. Dr. Ingo Rekatzky
Veranstaltungsart: Vorlesung
Orga-Einheit: 03-Theaterwissenschaft
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Anrechenbar für:
Semesterwochenstunden: 2
Unterrichtssprache: Deutsch
Offizielle Kursbeschreibung: Im Zuge der Aufklärung vollzog sich im 18. Jahrhundert ein grundlegender wie folgenreicher Struktur- und Funktionswandel von Theater. Nicht nur, dass Theater als kritisches Medium zur Konstitution einer bürgerlichen Öffentlichkeit erkannt wurde: Mit der Herausbildung eines veristischen Kunstschauspiels erfuhren Schauspielen als Praxis und der Berufsstand der Schauspieler:innen innerhalb der neuzeitlichen europäischen Kulturgeschichte erstmals ihre Legitimation auf einer breiten Basis. Doch diese Einbürgerung der Schauspielkunst war teuer erkauft – mit Folgen bis in unsere eigene Gegenwart hinein: Orientierte sich doch die Theaterreform des 18. Jahrhunderts an bürgerlichen Subjekt-Idealen bzw. deren öffentlichen Repräsentationsstrategien – und damit an Ansprüchen wie Wahrscheinlichkeit bzw. ‚Wahrheit‘, Natürlichkeit bzw. ‚Natur‘ oder (Selbst-)Identität. Vor allem die theatrale Konstitution des ‚Eigenen‘ ging in künstlerischen Praktiken ebenso wie in der sozialen Öffentlichkeit mit einer strikten Grenzziehung gegenüber dem ‚Anderen‘ und dem ‚Fremden‘ einher, was in Repräsentationspraktiken und damit verbundenen Wahrnehmungs- bzw. Bewertungsmustern mitunter bis zum heutigen Tage auf verheerende Weise nachwirkt. Die Vorlesung behandelt aus der Perspektive einer akteur:innenbezogenen historischen Anthropologie die wechselseitige Relation zwischen einer spezifischen Konstitution von (bürgerlichem) Subjekt bzw. dessen (internalisiert theatraler) Repräsentation und einer zunehmend normierten Definition von Schauspielen als veristischer Menschendarstellungskunst. Anhand exemplarischer Konstellationen wird der Struktur- und Funktionswandel von theatralen Praktiken in Relation zu übergeordneten soziokulturellen Diskursen betrachtet – und sein anhaltendes Nachwirken historisiert. Ebenso richtet sich der Blick auf theatrale Praktiken und Theorien, denen langfristig gesehen der Spielraum entzogen wurde. Nicht zuletzt aus gegenwärtiger Perspektive sind sie aufschlussreich dafür, was für die Konstitution des (bürgerlichen) Subjekts als das ‚Andere‘ anhaltend verdrängt werden musste. Im Rahmen der Vorlesung sind fakultative Exkursionen geplant – Exkursionsorte und Termine werden in der ersten Vorlesungssitzung besprochen.