Lehrende: Dr. Michael Scholz-Hänsel
Veranstaltungsart: Vorlesung
Orga-Einheit: 03-Kunstgeschichte
Anzeige im Stundenplan:
Fach:
Anrechenbar für:
Semesterwochenstunden: 2
Unterrichtssprache: Deutsch
Offizielle Kursbeschreibung: Armutsdarstellungen haben in der Kunstgeschichte eine lange Tradition: angefangen mit Giottos Fresken zum Hl. Franziskus von Assisi über Spitzwegs Armen Poeten bis hin zu aktuellen Beispielen in Fotografie und Film. Dabei hat der Fokus viele Male gewechselt. Im 16. und 17. Jahrhundert existierten sehr unterschiedliche Bilder für ähnliche Fürsorgekonzepte in katholischer und reformatorischer Kirche, im 18. Jahrhundert engagierten sich Hogarth und Goya im Zeichen der Aufklärung gegen das Elend und im 19. Jahrhundert treten die Massen ins Bild und beginnt der Kampf um soziale Rechte. Doch schon in der Barockzeit begegnen wir in frühen Milieustudien einer Poesie der Armut, die bis heute in Urlaubspostkarten aus dem Süden fortlebt. Eines der frühesten Beispiele liefert der anonyme Schelmenroman des Lazarillo de Tormes (1554). Aktuelle Beispiele bilden die Diskussion ums Aufräumen (Marie Kondo) und der Wunsch nach einem neuen Minimalismus. – Die Vorlesung versucht eine schwierige Gratwanderung mit einer möglichst objektiven Bestandsaufnahme und stellt sich zugleich den wachsenden Forderungen nach einer ethischen Kunstgeschichte, die die Konflikte beim Namen benennt und die Betroffenen zu Worte kommen lässt. Ein Vergleich von Joe Gould und Darren McGarvey kann dabei zeigen, dass sich nicht alles zum Schlechteren wendet. – Einen theoretischen Rahmen liefert das Konzept von Inklusion und Exklusion, wie es auch der wegweisenden Ausstellung in Trier 2011 zugrundelag, doch geht es vor allem um eine genaue Analyse ausgewählter Kunstwerke, und da gibt es erstaunlich viele im kunsthistorischen Kanon und in den unterschiedlichsten Medien.
Literatur: Elisabeth Sudeck: Bettlerdarstellungen vom Ende des XV. Jahrhunderts bis zu Rembrandt. Straßburg 1931 (Diss. Freiburg i. Br. 1929). - Andreas Gestrich und Lutz Raphael (Hrsg.): Inklusion/Exklusion. Studien zu Fremdheit und Armut von der Antike bis zur Gegenwart. Frankfurt a. M. 2004; Tom Nichols: The Art of Poverty. Irony and Ideal in Sixteenth-Century Beggar Imagery. Manchester 2007; Andreas Pitz (Hrsg.): Arme habt ihr allezeit. Frankfurt a. M. 2009; Herbert Uerlings, Nina Trauth, Lukas Clemens (Hrsg.): Armut. Perspektiven in Kunst und Gesellschaft, Trier 2011; Franziska Eißner und Michael Scholz-Hänsel (Hrsg.): Armut in der Kunst der Moderne, Marburg 2011. – Joseph Mitchell: Joe Goulds Geheimnis, Köln 2000 (1942); Darren McGarvey: Armut, München 2021 (2017).