Lehrende: Dr. Michael Braun
Veranstaltungsart: Seminar
Orga-Einheit: 03-Theaterwissenschaft
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Fach:
Anrechenbar für:
Semesterwochenstunden: 2
Unterrichtssprache: Deutsch
Offizielle Kursbeschreibung: Noch 2014 hat der französische Soziologe Michel Maffesoli die Erfüllung der Postmoderne in einer emphatischen Überwindung der rationalen Geschichtsordnung ausgerufen: Die Gesellschaften der Gegenwart würden sich in quasi geschichtslose, neotribalistische Kleincommunities auflösen, die keines identitären, kollektiven Geschichtsbildes mehr bedürften (Le temps reviant, 2010, dt. 2014). Bereits 2016 aber wurde mit der Wahl Donald Trumps zum amerikanischen Präsidenten die zentrale Figur eines ‚Dramas der Geschichte‘ reaktiviert, die uns (nicht erst) seitdem in den Nachrichten und der Populärkultur ebenso wie im Theater, im Film und in der Wissenschaft verfolgt. Der polnisch-britische Soziologe Zygmunt Bauman hat das in den politisch-populistischen Praktiken der Gegen-wart propagierte nostalgische Geschichtsbild einer vergangenen großen Zeit, die es wiederzugewin-nen gelte („make … great again“), ein retrotopisches genannt (Retrotopia, 2017). Was aber macht eine zyklische oder rekursiv-bemächtigende Zeitvorstellung mit unseren ge-wohnten Denkmustern von Aufklärung, Fortschritt und rationalem Individuum? Wo bleibt vor lauter Wiederkehr die Vorstellung einer offenen und noch ungeschriebenen Zukunft? Und wie weit trägt tatsächlich der Anspruch einer ›Verfügbarkeit‹ von Geschichte und Gegenwart in Zeiten globaler Unsicherheit? Im Seminar wird es um verschiedene Aneignungen oder Anrufungen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft im Theater wie den bildenden Künsten seit 1990 gehen; von klassischen Drameninszenierungen über neue Produktionsformate zur Auflösung der Schaubühnenanordnung bis hin zur Re-Performance; von musealer und medialer Repräsentation der Geschichte über filmische Rekonstruktionen bis hin zu interaktiven Environments. Erwartet wird die Bereitschaft, selbsttätig zu Künstler*innen und ihren Arbeiten zu recherchieren und zugleich gemeinsam über gemachte Erfah¬rungen zu sprechen. Nach Möglichkeit werden auch Aufführungs- und Ausstellungsbesuche statt¬finden. Die Veranstaltung beginnt jedoch zunächst digital per Zoom.