Lehrende: Ph.D. Anna Fortunova
Veranstaltungsart: Seminar
Orga-Einheit: 03-Musikwissenschaft
Anzeige im Stundenplan:
Fach:
Anrechenbar für:
Semesterwochenstunden: 2
Unterrichtssprache: Deutsch
Offizielle Kursbeschreibung: Ist Ihnen einmal aufgefallen, dass Ballett zu den paradoxesten Kunstgenres gehört? Auf körperlichen Bewegungen basierend, ohne die das menschliche Leben kaum vorstellbar ist, galt es lange und gilt es manchmal auch heute noch als elitär und schwer verständlich. Ballettmusik ist einerseits beinahe überall präsent: von Klingeltönen (man denke etwa an den Blumenwalzer aus Dem Nussknacker) bis zu Soundtracks zu berühmten Filmen (wie beispielsweise Eyes wide shut des Filmregisseurs Stanley Kubrick). Andererseits wird sie oft als kein konstitutiver Teil eines integralen theatralischen Ganzen wahrgenommen. Die bis heute verhältnismäßig geringe Aufmerksamkeit, die dem Ballett seitens der Musikwissenschaft zuteilwurde, steht zudem in einer großen Diskrepanz zu den mit einer großen Anzahl an Ballettaufführungen gefüllten Spielplänen vieler Opern- und Balletttheater wie beispielsweise auch der Oper Leipzig. In dem Seminar wenden wir uns dem Ballett der letzten 150 Jahre zu: einem Zeitraum, in dem das Genre mehrfach revolutioniert wurde. Nur 21 Jahre trennen die Premiere des „untanzbaren“ Nussknackers (so Zeitgenossen) des Ballettreformators Peter Tschaikowski von der Uraufführung Igor Strawinskis Le sacre du printemps, welche bekanntlich zu einem der größten Skandale in der Musikgeschichte erklärt wurde. 14 bzw. 17 Jahre später konnten Theaterbesucher in Paris in Dem stählernen Schritt Prokofjews eine Fabrik mit sich bewegenden Werkbänken und in Leningrad in Dem goldenen Zeitalter Schostakowitschs ein Fußballspiel auf der Bühne sehen: in beiden Fällen große Sensationen, die ebenfalls heftigste Diskussionen auslösten. Mit diesen und anderen prägnanten, für die Geschichte und Gegenwart des Balletts charakteristischen Beispielen wollen wir uns im Rahmen der Lehrveranstaltung im Kontext der Sinnfragen in der Kunst im Allgemeinen auseinandersetzen. Damit ist gemeint, dass eine künstlerische Idee einen Sinn hat, der von Interpreten und Rezipienten verstanden und artikuliert werden kann. Zu welchen Schlussfolgerungen die These beispielsweise Wissenschaftler führt, ist eine der Leitfragen des Seminars.
Literatur: Anette Hartmann, Monika Woitas (Hrsg.): Das große Tanzlexikon. Personen – Werke – Tanzkulturen – Epochen, Laaber-Verlag 2016; Roland Huesca: Die Ballets Russes in Paris: eine Anatomie des Geschmacks der Belle Époque, in: Inga Mai Groote, Stefan Keym (Hrsg.): Russische Musik in Osteuropa vor 1917: Ideen – Funktionen – Transfers, München: Edition Text + Kritik 2018; Mauser, Siegfried (Hrsg.): Musiktheater im 20. Jahrhundert, in: Handbuch der musikalischen Gattung, Bd. 14, Laaber-Verlag 2000; Jörg Rothkamm: Ballettmusik im 19. und 20. Jahrhundert. Dramaturgie einer Gattung. Mainz u.a.: Schott Music 2011; Monika Woitas: Geschichte der Ballettmusik. Eine Einführung, Gattungen der Musik. Band 12, Laaber-Verlag 2018; Frieder Reininghaus, Experimentelles Musik- und Tanztheater, in: Handbuch der Musik im 20. Jahrhundert, Bd. 7, Laaber-Verlag 2004.