Lehrende: Jun.-Prof. Dr. Ingo Rekatzky
Veranstaltungsart: Seminar
Orga-Einheit: 03-Theaterwissenschaft
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Fach:
Anrechenbar für:
Semesterwochenstunden: 2
Unterrichtssprache: Deutsch
Offizielle Kursbeschreibung: Der österreichische Schriftsteller Thomas Bernhard (1931-1989) bezeichnete sich selbst als Stückezertrümmerer, dem der Theaterbetrieb und Schauspielen allgemein aus tiefster Seele verhasst sind. Dessen ungeachtet waren die (Ur-)Aufführungen seiner rund 20 Dramen prägend für die jüngere deutschsprachige Theatergeschichte – und gingen nicht selten mit weitreichenden (Theater-)Skandalen einher. So verursachte beispielsweise im Herbst 1988 die Uraufführung von Bernhards Heldenplatz (Regie: Claus Peymann) am Wiener Burgtheater beinahe eine öster¬reichische Staatskrise: Vorab zitierte Passagen wie Österreich sei ein »Volk von 6,5 Millionen Debilen«, dessen nationalsozialistische, antisemitische Einstellung jetzt »noch viel schlimmer / als vor fünfzig Jahren« sei, riefen Proteste in allen politischen Lagern hervor. Verstärkt durch ein lautstarkes Presseecho schien sich ein ›Theater‹ abzuspielen, das die eigentliche Uraufführung weit in den Hintergrund zu rücken drohte. Andererseits initiierte Heldenplatz jedoch auch eine zuvor weitgehend versäumte öffentliche Auseinandersetzung über Österreichs Rolle im Nationalsozialis¬mus. Angesichts der gegenwärtigen politischen Lage scheint Heldenplatz ebenso wie anderen Stücken des umstrittenen Schriftstellers wieder eine aktuelle Brisanz zuzukommen – und eine ›Bernhard-Renaissance‹ der letzten Jahre mag dies bestätigen. Dennoch drängt sich die Frage auf, inwiefern Bernhard aktuelle politische Ereignisse, auf die er in seinem dramatischen Werk häufig zurückgriff, nur als ›Folie‹ dienten: Konkrete (politische) Ereignisse wurden wiederholt zum Anlass genommen, um die gegenwärtige Gesellschaft als ein verkommenes, fremdbestimmtes ›theatrum mundi‹, als »totale Weltkomödie« oder eben auch -tragödie anzuprangern. Das hierhinter verborgene Ideal von einem Leben ohne jegliche ›Theaterei‹ stellt Bernhards dramatisches wie auch episches Werk in eine lange kulturhistorische Tradition und lässt es aus einer ganz neuen, unerwarteten Perspektive betrachten. Im Seminar wird deshalb neben den – fast schon epochalen – Bernhard-Uraufführungen und gegenwärtigen Inszenierungen auch sein episches Werk kursorisch behandelt, um die hier ebenso manifeste vordergründige ›Theaterfeindlichkeit‹ im Kontext einer längeren theater- und kulturhistorischen Tradition bzw. eines philosophischen Ideals zu betrachten.