Lehrende: Prof. Dr. Patrick Primavesi
Veranstaltungsart: Seminar
Orga-Einheit: 03-Theaterwissenschaft
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Semesterwochenstunden: 2
Unterrichtssprache: Deutsch
Offizielle Kursbeschreibung: Flucht und Asyl sind elementare Erfahrungen, die im Theater seit der Antike immer wieder thematisiert werden. Viele griechische Tragödien behandeln die Auseinandersetzung mit dem Fremden und das Erleben des Fremdseins in einer anderen Kultur als existentielle Krise. Für das antike Publikum, die Bewohner der zahlreichen griechischen Stadtstaaten des 5. Jhs. v. Chr. war die Erfahrung noch allzu vertraut, als Fremder schon in einer benachbarten Stadt keine bürgerlichen Rechte mehr zu haben. Dem entsprach die häufige szenische Darstellung von Flüchtigen und Schutz Suchenden, auch wenn die in den Tragödien behandelten Mythen sehr unterschiedliche Gründe für Flucht und Heimatlosigkeit beschreiben. Bereits in der antiken Tragödie wird damit die Frage nach der Unantastbarkeit des bloßen, rechtlosen und von seiner kulturellen Form getrennten Lebens verhandelt, die Giorgio Agamben in seinen Studien zum Homo sacer als ein Leitmotiv der Geschichte des 20. Jahrhunderts bis zur Gegenwart analysiert hat. Dass der Status des Menschen und die ethischen Werte der modernen westlichen Gesellschaft durch Flucht und Vertreibung wie in einem rechtlichen Ausnahmezustand radikal in Frage gestellt sind, bringt gegenwärtig viele Theatermacher dazu, an einem Theater der Tragödie weiter zu arbeiten. Im Seminar wird es darum gehen, dieser Entwicklung nachzugehen, im Hinblick sowohl auf die Aktualität der antiken Tragödie als auch auf die Möglichkeiten aktueller Theaterformen, Konflikte um Flucht und Asyl nicht nur abzubilden, sondern mit szenischen Mitteln zu verhandeln.