Lehrende: Dr. Michael Braun
Veranstaltungsart: Seminar
Orga-Einheit: 03-Theaterwissenschaft
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Fach:
Anrechenbar für:
Semesterwochenstunden: 2
Unterrichtssprache: Deutsch
Offizielle Kursbeschreibung: Der Aufbruch zur ‚Wende‘ in Leipzig und der ganzen DDR ist inzwischen über 30 Jahre vergangen – vielfältige Gedenktage, -orte und -praktiken erinnern daran. Zugleich findet seit einiger Zeit eine aktive Umdeutung der Ereignisse von 1989/90 statt: „Vollende die Wende“, „Wende 2.0“ oder „Dafür sind wir ’89 nicht auf die Straße gegangen“ sind nur einige Claims und Slogans, die eine dezidierte Form der Erinnerungspolitik betreiben und andere Formen diskreditieren. Während im Literaturfeuilleton insbesondere seit Ingo Schulzes Simple Storys (1998) und Jana Hensels Zonenkinder (2002) der ‚Wenderoman‘ zum mehr oder weniger feststehenden Begriff geworden ist, ist ein eindeutig identifizierbares Wendetheater kaum ausgeprägt. Nichtsdestotrotz hat das Theater im vereinigten Deutschland einiges über die Wendezeit und ihre Umbrüche, (Dis-)Konti-nuitäten, Verluste und Chancen zu erzählen; gibt es paradigmatische Inszenierungen, Stücke und theatrale Zugänge zu dem Epochenbruch, die zwischen Aufbruch und Krise, Trauer und Erinnerung changieren und damit auf das große Potenzial theatralen Erzählens und Erinnerns schlechthin verweisen: die gemeinschaftliche Erfahrung und Mitteilung von (vermeintlicher) menschlicher Handlungsmacht und geschichtlicher Widerfahrnis. Im Seminar werden anhand ausgewählter literarischer, theatraler, musealer und anderer erinne-rungsbezogener Beispiele und Modelle verschiedene Formen des Be- und Verarbeitens dieser eingreifenden Transformationserfahrung gemeinsam beschrieben und untersucht. Daneben werden soziologische und kulturwissenschaftliche Perspektiven auf Phänomene und Begriffe wie ‚Wende-kinder‘, „Dritte Generation Ost“ (M. Hacker et al.), „Die Ostdeutschen als Avantgarde“ (W. Engler) eine Verortung und Kontextualisierung dieser Erfahrungen ermöglichen. Ziel ist eine Bestands-aufnahme und kritische Analyse zugleich, wie sich – eine Generation nach den politischen und kulturellen Umwälzungen von 1989/90 – die Erinnerungsformen und Erinnerungsorte verändern und auf welche Weise theatrale Praktiken in den Prozess der Reflexion und Verarbeitung eingebunden sind. Dazu gehören sowohl über das Seminar hinausgehende Videosichttermine als auch der Besuch von Ausstellungen, Theaterbesuche und weitere ‚Ortstermine‘.